Die Welt der Dualitäten

Gehen wir nochmal kurz zurück zum Big Bang, zum Urknall, zu dem Moment als sich die geballte Energie ihren Raum geschaffen hat. Das ist ja sozusagen unsere Quelle, aus der alles hervorging. Das bedeutet, die Essenz von allem, was ist, war also von Anfang an da und folglich ist von dieser Essenz auch in jedem von uns etwas enthalten. Und es ist auch alles mit allem verbunden, wie ein großes imaginäres Netz, das das ganze All umspannt.
Jetzt beginnt eine spannende Reise. Wir machen einfach mal einen gigantischen Schnelldurchlauf durch die Zeit und spulen vom Urknall vor bis (fast) in die Gegenwart. Unser Weltraum mit all seinen Planeten und Sternen hat sich in der Zwischenzeit entwickelt und auch das Leben auf unserem Heimatplaneten Erde hat schon so einige Entwicklungsstufen durchlaufen. Menschen kommen und gehen, Seelen inkarnieren und verlassen diese Welt wieder. Alles ist in Bewegung, alles ist kontinuierlich im Wandel.

Alles hat also den gleichen Ursprung, alles ist in allem enthalten. Es kann nichts ohne das andere existieren. Von Anfang an gab es das Nichts, aus dem Alles entstanden ist. Daoisten nennen es Wuji – die große Leere. Als Quelle allen Ursprungs wird Wuji dargestellt als Kreis.

Der Kreis gilt als perfekte Form, er ist ein Symbol für das Vollkommene, für die Ewigkeit, für Einheit und Zeitlosigkeit. In vielen Kulturen ist der Kreis – manchmal auch als Perle, Ei dargestellt – das Symbol für den Beginn des Lebens.
Es mag zwar so aussehen, als ob dieser Kreis leer ist, aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall: in diesem Kreis sind alle Möglichkeiten enthalten. Es ist der Raum der Polaritäten, es kann das eine nicht ohne das andere geben:

dunkel – hell

Nacht – Tag

Winter – Sommer

weiblich – männlich

unten – oben

 

Besonders anschaulich wird diese Polarität im Taiji-Symbol dargestellt:
Das Schwarze symbolisiert das aufnehmende, passive Weibliche, das Weiße das abgebende, aktive Männliche. Die beiden Punkte stehen für das Bewusstsein, dass nichts ausschließlich Yin oder Yang sein kein. In beiden ist das Potential der Veränderung, des Wandels vorhanden. Tag wird schließlich zur Nacht, nach dem Sommer folgt unweigerlich irgendwann der Winter usw. Auch fließt das Schwarze (Yin) sozusagen in das Weiße (Yang) und umgekehrt, alles ist immer in Bewegung.
Das Taiji-Symbol zeigt uns also bildlich, dass alles der Veränderung unterliegt. Alles im Universum ist ständig im Wandel und so ist auch der einzelne Mensch ständig im Wandel. Du bist niemals der, der Du gestern warst und morgen wirst Du ein anderer Mensch sein als heute.
Aber was ist die Kraft, die diese Veränderung in Gang bringt? Was haucht allem sozusagen Leben ein? Was ist die Antriebs-Energie dahinter?
Es ist das, was man in China Chi (oder Qi) nennt, im Sanskrit wird es als Prana bezeichnet, in christlichen Schriften ist die Rede von Odem oder Lebensatem. Andere Bezeichnungen lauten Ki, Od, Orgon oder Pneuma und in unserer westlichen Welt spricht man von Lebensenergie. Es ist die Energie, der alles zugrunde liegt, ohne die nichts existieren würde.

Der Tatsache, dass alles dem Wandel unterliegt, waren sich auch vor langer, langer Zeit die Menschen in China schon bewusst. Sie waren zudem sehr gute Beobachter. So auch ein Mann namens “Fuxi”, seines Zeichens König. Er hat irgendwann festgestellt, dass alles irgendwie nach dem gleichen Muster abläuft – und zwar sowohl am Himmel wie auch auf der Erde. (“… wie im Himmel, so auf Erden”… 🤔 woher kenn ich das denn?… ) Er hat die Tiere beobachtet, hat genau hingesehen, wie sie sich den Gegebenheiten anpassen können. Und er hat sich und seinen eigenen Körper in seine Beobachtungen mit einbezogen. Dann hat er irgendwann sein Résumé gezogen und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Menschheit quasi der Mikrokosmos (also eine kleine Abbildung) der Natur und des Kosmos ist.  

Aus diesen ganzen Erkenntnissen heraus ist dann mit der Zeit ein System entstanden, das zur Kontemplation ebenso genutzt wurde und wird, wie zu Wahr- oder Weissagungszwecken: das I Ching.

I Ching - Das Buch der Wandlungen

Um uns dem I Ching ein wenig anzunähern, schauen wir uns zunächst einmal an, wie sich die Geschichte von Yin und Yang weiterentwickelt. Von nun an werden Yin und Yang als Linien dargestellt: Yang als durchgehende Linie und Yin als unterbrochene Linie.

Und weil ja beide Linien auch immer zusammenspielen, sich gegenseitig ergänzen, können die folgenden vier Kombinationen entstehen: 

Da diese Symbole nun quasi aus zwei Einzel-Symbolen zusammengesetzt sind, nennt man sie Bigramme. Diese Bigramme wiederum werden nun ergänzt durch entweder eine Yang-Linie oder durch eine Yin-Linie. Es entstehen die sogenannten Trigramme:

Das Dao gebiert die Eins. Die Eins gebiert die Zwei. Die Zwei gebiert die Drei. Und daraus entstand alles andere.

Jedes Trigramm steht für eine Himmelsrichtung, ein Element, eine Zahl, (mind.) eine Farbe. Auch stehen sie jeweils sinnbildlich für ein Mitglied der Familie (Vater, Mutter, ältester Sohn, mittlerer Sohn, jüngster Sohn, älteste Tochter, mittlere Tochter, jüngste Tochter).

Qian

Himmel
Vater, Ehemann, König
Nord-West
Metall
gold, silber, weiß
Kopf, Lunge

Zhen

Donner
Ältester Sohn
Osten
Holz
grün
Füße, Kehle

Kan

Wasser
Mittlerer Sohn
Norden
Wasser
schwarz, blau
Ohren, Blut, Nieren

Gen

Berg
Jüngster Sohn
Nordosten
Erde
braun, gelb
Hände, Finger

Kun

Erde
Mutter, Ehefrau, Großmutter
Südwesten
Erde
braun, gelb
Unterleib, Magen

Xun

Wind
Älteste Tochter
Südosten
Holz
grün
Oberschenkel, Gesäß, Unterer Rücken

Li

Feuer
Mittlere Tochter
Süden
Feuer
rot, violett, pink
Augen, Herz, Blut

Dui

See
Jüngste Tochter
Westen
Metall
gold, silber, weiß
Mund, Zähne, Zunge, Brustkorb

Das Bagua

Diese acht Trigramme finden sich übrigens auch im Feng Shui wieder. Sie ergeben das sogenannte Bagua.

Kombiniert man jetzt diese 8 Trigramme miteinander, gibt es insgesamt 64 Möglichkeiten, die daraus entstehen können. Man erhält die sogenannten Hexagramme, die die Grundlage für das I Ching bilden. Und allein aus der Zusammensetzung der einzelnen Linien lässt sich schon so einiges herauslesen.

Hier zwei Beispiele

Hexagramm 1

Hexagram 1 besteht ausschließlich aus Yang-Linien, d.h. die grundlegende Energie dahinter ist sehr aktiv. Daher lautet der Titel für dieses Hexagram auch “Macht” oder “Kreative Kraft”. Es ist eine Kombination aus den beiden Trigrammen, die den Vater repräsentieren. 

Hexagram 2 besteht ausschließlich aus Yin-Linien, d.h. die grundlegende Energie dahinter ist eher passiv, im Sinne von aufnehmend. Es ist eine Kombination aus den beiden Trigrammen, die die Mutter repräsentieren. Somit steht es auch für etwas Nährendes, Sanftes.

Übrigens ...

… richtig spannend finde ich auch, dass es eine Verbindung zwischen diesem “alten” System und dem vergleichsweise “jungen” System der Binärzahlen gibt. Dabei wird der unterbrochenen Yin-Linie die Zahl “0” zugeordnet und der durchgängigen Yang-Linie die Zahl “1”. Somit lässt sich also jedes Hexagram über die Binärcodes in eine Zahl “übersetzen”. Und wenn wir diese Erkenntnis später auf das Human Design Mandala übertragen, wird’s nochmal so richtig interessant ;-).

Binärcode

Klingt kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. Dazu braucht es eigentlich nur eine Reihe von 2er Potenzen:

20 = 1
21 = 2
22 = 4
23 = 8
24 = 16
25 = 32

In eine Tabelle übertragen sieht das ganze dann etwa so aus:

Jetzt kommen die Hexagramme ins Spiel. Dazu muss man jetzt erstmal wissen, dass bei den Hexagrammen immer von der unteren Linie nach oben gezählt wird. Also Linie 1 ist unten, Linie 6 ganz oben.

Nehmen wir als Beispiel mal folgendes Hexagramm:

Hexagramm 1

Es besteht ausschließlich aus durchgezogenen Yang-Linien. Es wird also jeder Linie die Zahl 1 zugeordnet. Übertragen in unsere Tabelle sieht das dann folgendermaßen aus:

Jetzt zählt man nur noch die Zahlen der unteren Reihe zusammen, in der eine 1 steht. In diesem Beispiel ergibt das die Zahl 63.

Noch ein Beispiel:

Die unterste Linie – in diesem Fall durchgehend, also 1 – wird ganz links eingetragen, die zweite Linie von unten ist unterbrochen und erhält damit die “0”, die ins zweite Feld von links eingetragen wird. Und so arbeiten wir uns jetzt weiter im Hexagramm nach oben und in der Tabelle nach rechts vor. Dann addieren wir die Zahlen, die unter den Einsen stehen: 32+4+1 und erhalten die Zahl 37.

Eigentlich gar nicht so schwer, oder?

Wenn Du’s selber ausprobieren möchtest: hier ein paar Beispiele. Die richtigen Ergebnisse stehen auf der Rückseite der Karte 😉

40

2

47

23

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